Katholisch-Theologische Fakultät

Das Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland ist gekennzeichnet durch gegenseitige Unabhängigkeit verbunden mit funktionell begrenzter Zusammenarbeit auf Feldern gemeinsamen Interesses. In offener Neutralität und differenzierender Parität schützt und fördert der Staat die öffentliche Potentialität der Kirchen und anerkennt sie als maßgebliche Faktoren der geistigen, sittlichen und religiösen Kultur. Die Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten sind in diesem System als gemeinsame Angelegenheit angesiedelt. Das für die Pflege der Theologie als Wissenschaft notwendige Zusammenwirken von Staat und Kirche findet seinen institutionellen Ausdruck darin, daß die Theologischen Fakultäten einen nach Rechts- und Interessensphären geordneten Doppelstatus besitzen. Sie sind staatliche Institutionen, die unter dem Vorbehalt vertraglich fixierter kirchlicher Rechtspositionen der staatlichen Hochschulgesetzgebung und Hochschuladministration unterstehen und für die der Staat die volle Finanzierungslast trägt. Als staatliche Einrichtung dienen sie aber zugleich der Erfüllung kirchlicher Aufgaben, nämlich der Ausbildung der Dienste des geistlichen Amtes.

Die Theologenausbildung an staatlichen Universitäten ist keineswegs eine auslaufende Erscheinung des dahingeschwundenen Staatskirchentums. An zahlreichen Universitäten, die nach Abschluß des Säkularisierungsprozesses gegründet worden sind, und auch bei Neugründungen nach dem 2. Weltkrieg sind theologische Fakultäten errichtet worden (Beispiele: Mainz 1946, Regensburg 1966, Bochum 1968 und Augsburg 1970). Die großen christlichen Kirchen haben sich dabei kraft ihres staatskirchenrechtlichen Sonderstatus ihren historisch begründeten Einfluß auch in jüngster Zeit erhalten.

Die Theologischen Fakultäten sind konkordatsrechtlich garantiert. Eine entsprechende Garantie läßt sich auch aus dem Grundgesetz verbunden mit den Länderverfassungen ablesen. Dabei ist ihr Status heute keineswegs mit der Priesterausbildung alleine verbunden. Wie in mehreren Bereichen hat sich hier die rechtliche und faktische Situation seit Abschluß des Reichskonkordates bzw. der Länderkonkordate gewandelt. Auch hier kann nicht einer Versteinerungstheorie gefolgt werden.

Den Theologischen Fakultäten obliegt die Pflege der theologischen Wissenschaft in Forschung und Lehre. Ihre Ausbildungsfunktion bezieht sich auf die Geistlichen, die Religionslehrer und Religionslehrerinnen (an höheren Schulen) und sonstige Bedienstete sowie auf Stellen im offenen Markt des gesellschaftlich-politischen Bereichs: Bildungsreferenten/innen Journalisten/innen Medienreferenten/innen, Ethikberatung, Politische Referenten/innen usw. Diese Zusammensetzung der Studenten und Studentinnen spiegelt die Entwicklung wider. Zur Zeit des Abschlusses der Konkordate stellten die Priester das Seelsorgepersonal dar. Heute stimmt es nicht nur faktisch nicht mehr, daß die Theologischen Fakultäten einzig der Priesterausbildung dienen.

Diese Entwicklung hat sich auch schon im Recht der Konkordate niedergeschlagen. Rechtlich ist es so, daß zwar das Preußische Konkordat in Art. 12, das Badische Konkordat in Art. 9 und auch der Vertrag zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Heiligen Stuhl vom 26. März 1984 Art. II (1) davon ausgehen, daß für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen die Katholisch-Theologischen Fakultäten bestehen bleiben, aber schon das Reichskonkordat hatte in Art. 19 ganz allgemein formuliert: "Die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten." Von der Priesterausbildung alleine steht hier direkt nichts. Auch die Konkordatspraxis ist schon längst über die reine Priesterbildung hinausgegangen. Die Fakultäten wurden mit Zustimmung des staatlichen Vertragspartners längst den Laien geöffnet. Ganz besonders sei auf Art. 4 des Bayrischen Konkordats in der Fassung der Änderungsverträge vom 4. September 1974 und vom 7. Juli 1978 hinweisen. Dort heißt es in 1: "Das Lehrangebot in den Katholisch- Theologischen Fachbereichen der in Art. 3 1 genannten Hochschulen muß vornehmlich den Bedürfnissen des priesterlichen Berufes, daneben denen anderer seelsorgerischer Dienste nach Maßgabe der kirchlichen Vorschriften Rechnung tragen." Wesentlich ist der Passus "daneben denen anderer seelsorgerischer Dienste". Die italienische Fassung spricht von: "Ed inoltre a quelle dei candidati agli altri ministeri pastorali". Das hier verwendete Wort ministero, das mit Dienst im deutschen übersetzt ist, weist selbstverständlich auf die auch hauptamtlich pastoralen Berufe hin. Wenn sich daher heute das benötigte Seelsorgepersonal der katholischen Kirche aus anderen Personengruppen zusammensetzt, so sind die Aussagen des Konkordates selbstverständlich darauf zu beziehen. Das hier vorausgesetzte Interpretationsprinzip gilt für langfristig angelegte, internationale Verträge ganz selbstverständlich. Mit eben dieser selben Selbstverständlichkeit haben Kirche und Staat den Bezug des Reichskonkordats auf die päpstliche Hochschulkonstitution "Deus Scientiarum Dominus" auf "Sapientia Christiana", die Fortschreibung des erstgenannten Dokumentes, ausgedehnt. Langfristige Verträge müssen so ausgelegt werden, daß die sich verändernden Sachverhalte in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Die eben gemachte Aussage wird noch verstärkt durch Art. 74 1 "Sapientia Christiana", der betont, daß die theologische Fakultät die besondere Aufgabe habe, die wissenschaftliche theologische Ausbildung jener zu gewährleisten, die auf das Priestertum zugehen oder sich auf die Übernahme von besonderen kirchlichen Aufgaben vorbereiten. Sowohl "Sapientia Christiana" sowie auch der Codex von 1983 gehen davon aus, daß Laien als Lehrende tätig sein können. Sie können für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen. Sie haben das Recht, jene tiefere Kenntnis in den theologischen Wissenschaften zu erwerben, die in kirchlichen Universitäten oder Fakultäten gelehrt werden. Gemäß c. 229 3 können sie einen Auftrag zur Lehre in theologischen Wissenschaften von der rechtmäßigen kirchlichen Autorität erhalten. Und auch die wissenschaftliche Ausbildung der Priester zielt darauf ab, zusammen mit der allgemeinen, den Erfordernissen des Ortes und der Zeit entsprechenden, Kultur eine umfassende und tiefe Kenntnis in den Theologischen Disziplinen zu erwerben (c. 248).

Es ist davon auszugehen, sich der Konkordatsinhalt gewandelt hat. Die deutschen Katholisch-Theologischen Fakultäten sind heute nach kirchlichem und Konkordatsrecht sowie Staatskirchenrecht Ausbildungsstätten für priesterliche und sonstige seelsorgliche Berufe sowie für Religionslehrer und Religionslehrerinnen und weitere Berufe im gesellschaftspolitischen Bereich. Das hat auch Konsequenzen für die Zusammensetzung des Kollegiums der Lehrenden. Wenn also heute Tendenzen bestehen, die Zahl der lehrenden Laien durch eine Quote zu begrenzen, so widersprechen diese Tendenzen nicht nur dem Grundgesetz sondern auch dem Konkordatsrecht.

Die Theologischen Fakultäten sind staatliche Einrichtungen, die Professoren Beamte. Sie sind teilrechtsfähige Gliedkörperschaften der staatlichen Universität. Die katholische Kirche hat ein durch Vertrags- und Staatskirchenrecht umschriebenes Einflußrecht auf die Katholigsch-Theologischen Fakultäten (z. B. Nihil obstat "bei Ernennung von Professoren und Habilitationen, Promotionsrecht, Studien- und Prüfungsordnungen).

Die Katholisch-Theologische Fakultät in Tübingen erfüllt ihre Aufgabe mit einem vergleichsweise kleinen Lehrkörper. Die Katholisch-Theologische Fakultät in Tübingen ist eine Fakultät von internationalem Rang. Ihre Professoren sind in zahlreichen in- und ausländischen wissenschaftlichen Institutionen vertreten. Enge Kontakte der Fakultät bzw. einzelner Mitglieder bestehen zu einer Reihe europäischer und zu einzelnen nord- und südamerikanischen Universitäten. 1988/89 wurde ein Kooperationsvertrag mit der Katholischen Akademie in Warschau (Polen) abgeschlossen. Enge Partnerschaft besteht mit der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität von Lyon und mit der katalanischen Theologischen Fakultät in Barcelona. Im Rahmen des Erasmusprogramms der europäischen Union bestehen Kontakte und ein reger Studentenaustausch mit folgenden Fakultäten: Porto, Madrid, Bilbao, Napoli, Lyon, Fribourg, Paris, Louvain, London, Dublin und Maynooth. Diesem Programm assoziiert sind die Fakultäten in Barcelona und an der Gregoriana in Rom.

Jährlich wird zusammen mit dem Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart das Theologische Kontaktstudium für Priester und Laien im pastoralen Dienst der Diözese sowie Religionslehrer abgehalten.

In den Jahren 1993 ff. wurde auch die Sanierung des Theologicums abgeschlossen.

Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät geben gemeinsam die älteste heute noch bestehende theologische Fachzeitschrift der Welt, die Tübinger "Theologische Quartalschrift" (ThQ) heraus. Sie wurde 1819 von Gratz, Drey, Herbst und Hirscher ins Leben gerufen und feierte 1995 ihr 175-jähriges Bestehen. Sie ist eine singuläre Dokumentation der Entwicklung und Strömungen der katholischen Theologie und kirchlichen Lebens im 19. und 20. Jahrhundert, vor allem jener Form kritischer Theologie, die unter dem Namen "Katholische Tübinger Schule" bekanntgeworden ist. Nach den Vorstellungen der Herausgeber dient die Zeitschrift nicht nur der wissenschaftlichen Kommunikation; sie will vielmehr auch Pfarrern und allen im pastoralen Dienst stehenden sowie Religionslehrern den Stand der theologischen Diskussion vermitteln. Seit 1969 werden regelmäßig ein oder zwei der Vierjahreshefte als thematische Hefte gestaltet, in denen aktuelle Probleme aus der Sicht der verschiedenen theologischen Disziplinen behandelt werden.

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qvf-info@uni-tuebingen.de(qvf-info@uni-tuebingen.de) - Stand: 30.11.96
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